Eseltrekking in Portugal – Start ins Abenteuer

Mit einem quasi fremden Esel in Portugal loszulaufen, nicht trainiert zu sein und die Landessprache nicht zu verstehen, könnte man als naiv oder fahrlässig abtun. Innerhalb unserer ersten Woche hatte ich mich verlaufen, der Esel war abgehauen und eine großangelegte Treibjagd zwang uns zu einem weiteren Umweg. So werden auf einer Eseltrekking-Tour aus geplanten 75 Kilometern, mal eben 120 Kilometer. Aber mit Unterstützung des besten Ehemannes der Welt haben wir trotzdem unser Ziel erreicht. Sancho Don Burro (Sancho Herr von Esel) hatte sich nach einer Woche an den Packsattel gewöhnt und balancierte das Gepäck ohne Weiteres aus. Lediglich die erweiterten Außenmaße hatte er noch nicht genau im Blick, so dass er manchmal mit den Packtaschen an Ästen oder Ähnlichem hängen blieb. 

Ich hatte meine Lektionen ebenfalls gelernt. Der Weg ist tatsächlich das Ziel. Es kommt nicht darauf an, exakt einer geplanten Strecke zu folgen, sondern den Herausforderungen mit Flexibilität und Souveränität zu begegnen.

Los geht's

Mein Lebenstraum sollte nun endlich wahr werden: Eine Reise mit Packesel von Portugal nach Deutschland. In Deutschland hatte ich das Eseltrekking in den letzten Jahren ausprobiert und musste einsehen, dass es keinen Sinn macht, alleine mit zwei Eseln losziehen zu wollen. Warum sollte ich auch “Eulen nach Athen” tragen, beziehungsweise in diesem Fall “Esel nach Portugal”? Noch vor 50 Jahren war Portugal ohne Esel unvorstellbar. Auf dem Land hatte jede Familie seinen Esel, der bei den unterschiedlichsten Arbeiten eingesetzt wurde. Auch in den Städten konnte man Esel sehen. Heute ist die Eselpopulation in Portugal stark rückläufig. Trotzdem sind dort noch einige dieser großrahmigen Exemplare anzutreffen, die zum Teil noch als Arbeitstiere genutzt werden.

Ich entschloss mich also, einen Esel direkt in Portugal zu kaufen und an Ort und Stelle mit ihm loszulaufen. Fündig wurde ich in einem Internetportal. Eine in Portugal lebende Frau hatte einen Esel zu verkaufen. Drei Monate vor der geplanten Tour reiste ich nach Portugal, um mir den Esel anzusehen und zu testen, ob die Chemie zwischen uns stimmte. Bei unseren kleinen Probetouren war ich vor allem von Sanchos Schritttempo begeistert – circa fünf Kilometer pro Stunde.Von meinen deutschen Hauseseln war ich ein wesentlich langsameres Tempo gewohnt. Mit Kaufvertrag in der Tasche nahm ich Abschied von Sancho mit dem Versprechen, dass wir beide bald auf große Tour gehen würden.

Trainingsprogramm

Der beste Ehemann der Welt brachte mich im Februar via Wohnmobil zu Sancho. Weder Sancho noch ich waren zu diesem Zeitpunkt trainiert. Deshalb hütete ich mich davor, Sancho direkt mit Gepäck zu beladen. Schon einmal hatte ich diesen Fehler gemacht, im Irrglauben, dass ich in der Eingewöhnungsphasen nur die Tagesetappen entsprechend kurz wählen müsse, um sie dann sukzessive zu steigern. Auch wenn Esel ungemein geschickt darin sind, Traglasten auf ihrem Rücken zu balancieren, ist die Beanspruchung der Sehnen und Gelenke in den Beinen enorm hoch. Also zogen wir am ersten Tag gänzlich ohne Gepäck los und liefen 15 Kilometer völlig unbeschwert. 

 In den folgenden zwei Tagen trug Sancho nur den Packsattel. Er ist aus Edelstahl gefertigt und hat ein Eigengewicht von circa zehn Kilogramm. Sancho konnte sich in diesen Tagen an die Gurtung gewöhnen und ich die Sattellage an seinen Rücken anpassen und kontrollieren.

Erst als ich sicher sein konnte, dass der Packsattel richtig eingestellt war, hängte ich die Seitentaschen an. Sie waren lediglich mit etwas Tagesgepäck gefüllt, so dass sie ein geringes Gewicht hatten. So liefen wir noch einige Tage, bis der Urlaub des besten Ehemanns der Welt vorüber war. Er musste zurück nach Deutschland und konnte uns nicht mehr weiter mit dem Wohnmobil begleiten. Ab diesem Zeitpunkt waren wir auf uns alleine gestellt und mussten die Ausrüstung, die wir in den nächsten Monaten benötigen würden, selbst tragen.

Route

Karte Rota Vicentina
Karte Rota Vicentina

Der Anfang unserer Tour war durch den Standort von Sancho gesetzt. Wir starteten im Südwesten von Portugal im Alentejo, in einem kleinen Ort im Kreis Odemira.

Im Süden Portugals gibt es die “Rota Vicentina”. Zwei sehr gut ausgeschilderte Wanderwege, von denen einer an der Küste, der andere im Landesinneren verläuft. Unsere Route führte zunächst nach Sao Luís, wo wir auf den historischen Weg der Rota Vicentina trafen. Auf dem nördlichen Teil des “Caminho Histórico” wollten wir circa 60 km bis nach Santiago do Cacem wandern.

So der Plan!

An unserem ersten Tag war ich noch etwas verwirrt, dass uns Komoot über Weiden schickt. Mit Herzklopfen öffnete ich das Tor, ein einfacher Pfosten, der an einem zweiten mit Bindedraht fixiert war. Das Handling war nicht einfach, denn in einer Hand hielt ich den Führstrick von Sancho und mit der anderen musste ich den unter Spannung stehenden Pfosten von der Bindedrahtschlaufe befreien. Die Weiden waren mit Stacheldraht umzäunt, so dass ich aufpassen musste, dass Sancho beim Öffnen, Durchgehen und Verschließen nicht in Kontakt mit dem Zaun kam.

Sancho merkte meine Anspannung und verzichtete sogar darauf solidarisch mit den Kühen grasen zu wollen. Während wir über die Weide liefen, kamen immer mehr Kühe angelaufen, die den komischen Kumpel mit den langen Ohren bestaunten. Hinter uns hörten wir ihre Glocken, die bedrohlich immer näher kamen. Immer mal wieder drehte ich mich um, um die Kühe durch Armgefuchtel auf Abstand zu halten. Es war zum Glück eine hornlose Rasse. Wie froh war ich, als wir das Ausgangstor passierten. Nicht ahnend, dass wir auf unserer weiteren Reise noch so viele Tore mit unterschiedlichsten Herausforderungen zu meistern hätten.

Dumm gelaufen!

 

Am dritten Tag kamen wir nach Cercal do Alentejo, wo sich der Caminho Histórico, dem wir seit dem zweiten Tag folgten, verzweigt. Ein Weg führt nach Porto Covo an die Küste, der andere nach Santiago do Cacém weiter im Landesinneren. Nachdem wir weitestgehend muttersseelenallein durch wunderschöne Landschaften gewandert waren, waren wir nun vom Verkehr auf den engen Straßen gestresst. Wir blockierten Traktoren und Linienbusse, weil wir auf dem Bürgersteig keinen Platz hatten und Sancho große Bögen um die ihm noch unbekannten Kanaldeckel machen musste.

Am nächsten Wegweiser war Santiago do Cacém nicht ausgeschildert, sondern “Vale Seco“ in die eine und “Porto Covo” in die andere Richtung. Ohne einen Blick auf die Karte zu werfen, beschloss ich, dass mir Porto Covo als Ziel bekannt vorkäme. Falsch geraten! Wir liefen eine Stunde in den Westen anstelle nach Osten. Während unserer nächsten Pause bemerkte ich meinen Fehler und informierte den besten Ehemann der Welt über die ungewollte Planänderung. 

Wir trafen uns an der Küste, die Landschaft wirkte hier im Gegensatz zum Landesinneren sehr “aufgeräumt”. Wenige Bäume und alles Land war eingezäunt, so dass wir kein verstecktes Nachtlager für die Eselkoppel und unser Wohnmobil fanden. In einem kleinen Vorort von Porto Covo durften wir uns auf einer Wiese vor einem Wohnhaus niederlassen.

Worst Case

Der nächste grobe Fehler, der mir an diesem Tag unterlief, war, dass ich vor dem zu Bett gehen nicht die Wettervorhersage beachtet hatte, die für die Nacht ziemliche Regengüsse vorhersagte.

Pünktlich um Mitternacht setzten diese auch ein. Sancho hatte jedoch keinen Regenunterstand und wurde pudelnass. Also beschloss ich mich mit ihm an der nächstgelegenen Bushaltestelle unterzustellen. Vorsichtshalber nahm ich noch ein paar Utensilien in einem Seesack mit, wie eine Flasche Wasser, Eselputzzeug, ein Tarp und meine Lammfellweste.

Als der Regen nach zwei Stunden nachließ passierte es dann auf dem Rückweg bei einer kurzen „Pippi-Pause“. Sancho erschrak vor dem Seesack, den ich – um ihn selbst schultern zu können – an den Führstrick gebunden hatte, und rannte los. Aber der Seesack verfolgte Sancho hartnäckig. Sanchos Hufabdrücke führten zur Straße und verschwanden danach auf dem Asphalt.

Um 5 Uhr morgens kehrte ich nach erfolgloser Suche zum Wohnmobil zurück, um das Nachtlager abzubauen und den besten Ehemann der Welt zu informieren. Bei einsetzender Dämmerung machten wir uns zu Zweit auf die Suche, mein Mann motorisiert, ich per Pedes, wo das WoMo nicht hinkam. Mein Verdacht, Sancho könnte zu den Pferden zurückgelaufen sein, die wir am Tag zuvor passiert hatten, erwies sich als falsch. Ich informierte alle Pferde- und Eselbesitzer, denen wir auf der Suche begegneten, über den Verlust meines Esels mit der Bitte, sich bei mir zu melden, falls Sancho bei ihnen auftauchen würde.

Gegen Mittag bliesen wir unsere nicht zielführende Suchaktion ab, um uns auf einem nahegelegenen Campingplatz einzumieten, etwas zu essen und anschließend die Polizei zu informieren. Gerade auf dem  Campingplatz angekommen, erhielt ich eine Meldung meines Handys, dass der AirTag von Sancho gesichtet wurde – circa acht Kilometer entfernt. Wir brausten sofort wieder los – also der beste Ehemann der Welt brauste, während ich mich an meinem Handy festhielt. Eselhalfter mit AirTagKurz vor dem gemeldeten Ziel sahen wir den Esel abgehalftert in einem Garten stehend grasen – direkt einsehbar von der Straße aus. Wir fragten bei den Anwohnern nach, ob es sein könne, dass wir mit den Findern unseres Esels sprachen. Nein, das sei der Esel der Familie, aber ein sehr ähnlich aussehender Esel mit einem roten Halfter verfolgt von einem blauen Sack am Führstrick, sei vor nicht allzu langer Zeit vorbeigekommen. Uns kamen diese Angaben sehr verdächtig vor, aber es blieb uns ohnehin nichts anderes übrig, als weiter zu fahren.

Und tatsächlich ein Kilometer weiter: An einem Pfosten neben der Straße stand Sancho nervös mit seinem Strick nebst Sack angebunden da! Vor Erleichterung kullerten mir Tränen aus den Augen und ich schämte mich, die portugiesische Familie verdächtigt zu haben, sich meines Esels bemächtigt zu haben.

Just in diesem Moment kam auch der Retter (Anbinder) mit einer mürrisch wirkenden Frau vorbei. Nachdem ich erklärt hatte, wie wir den Esel gefunden hatten, begab ich mich mit Sancho – ohne Sack! – auf den Weg zum Campingplatz.