Was antworte ich auf diese Frage, wenn ich mit zwei bepackten Eseln, einem Mann und einem Hund im Thüringer Wald stehe? Ich begreife, dass die Passanten mit uns ins Gespräch kommen wollen. Esel sind einfach anziehende Wesen.
Motivation zum Rennsteig-Projekt
Der Rennsteig liegt vor meiner Haustür in Blankenstein. Was ist da naheliegender als den bekanntesten Fernwanderweg Deutschlands einmal selbst zu erwandern. Geübte Wanderer teilen den 169 Kilometer langen Weg in acht Etappen ein. Es gibt sogar Menschen, die Teile des Rennsteiges wirklich rennen. Jährlich wird ein Rennsteiglauf organisiert in unterschiedlichen Niveaus von Supermarathon bis Mini-Marathon. Der Streckenrekord für die 72,7 Kilometer des Supermarathon auf dem Rennsteig liegt bei 4:30.56 Stunden. Das ist definitiv nicht unser Tempo.
Der ursprüngliche Plan, den Rennsteig an vier bis fünf Wochenenden zu laufen, wurde durch die beginnende Corona-Pandemie Anfang 2020 durchkreuzt. Die Unterkünfte mussten schließen, weshalb der beste Mann der Welt und ich nur noch Tagestouren planen konnten. Je weiter wir kamen, um so höher wurde der logistische Aufwand. Mit zwei Autos anreisen, um jeweils eins am Start- und Zielpunkt zu haben oder eine kreisförmige Wanderroute wählen?
Also beschlossen wir für den weiteren Weg ein neues Konzept zu wählen – Eseltrekking. Mit zwei Eseln, die unsere Ausrüstung schleppten, wollten wir unseren Urlaub mit unserem Hund wandernd auf dem Rennsteig verbringen. Die Unterkünfte waren im Vorfeld gebucht, so dass wir nicht wild campen mussten. Die Anfrage nach einer Unterbringungsmöglichkeit für zwei Esel, war für die Meisten zwar ungewöhnlich, aber unsere Gastgeber suchten immer nach kreativen Lösungen. „Wir räumen vorher unseren Gartenschuppen aus, wir freuen uns sehr ihre Esel bei uns zu beherbergen.“, oder ähnliche Antworten erhielt ich. Nicht ganz so willkommen hingegen war unser Hund, so dass ich mehrere Anläufe benötigte, um geeignete Rastplätze für den kompletten Tross zu finden. Mitte Mai brachen wir dann kurz vor Neustadt am Rennsteig in Richtung Hörschel auf.
Eindrücke und Erfahrungen








Dem Wanderer wird auf dem Rennsteig Einiges geboten. Zahlreiche Sitzgruppen und Schutzhütten laden zu einer kurzen Rast ein. Der Weg ist so gut ausgeschildert, dass die Orientierung auch ohne Karte möglich ist. An einigen Stellen verläuft der Rennsteig direkt an Landstraßen, hier sorgen alternativ angelegte Rennsteigstrecken für ein entspanntes Fortkommen durch abwechslungsreiche Naturräume.
Um die Esel und uns langsam an das Gehen zu gewöhnen, wählten wir für den ersten Tag eine sehr kurze Strecke von nur sechs Kilometern und steigerten sie dann täglich um zwei bis drei Kilometer. Das Lauftempo unserer Esel „Travel“ & „Around“ war sehr gemächlich und lag im Schnitt bei circa 3 Kilometern pro Stunde. Dazu kamen noch die Fresspausen, die die Esel relativ pünktlich nach ungefähr einer Stunde Laufen einforderten.
Travel mit seinen sechs Jahren erwies sich als unser Kraftpaket, dem das Laufen und Tragen sichtlich Freude bereitete. Der 16-jährige Around war der erfahrene und gelassene Ruhepool im Team. Von Travel bekam er immer dann den Vortritt, wenn es „brenzlig“ wurde. Around sollte Travel lieber vormachen, ob die Straßenmarkierungen überschritten werden können, oder ob sie sich doch beim Weiterlaufen als gefährliche Schlangen erweisen. Die beiden sind ein wirklich gutes Team.
Jedem Tierchen sein Plaisierchen: Camping 50+ und Eselfutter








Im Vorfeld machten wir uns über das Camping Gedanken. Sind wir mit über 50 nicht schon zu alt, um am Boden herum zukrauchen? Wir gönnten uns im Gepäck sehr bequeme und leichtgewichtige Campingsessel. Diesen Luxus konnten wir uns leisten, da wir häufig Unterkünfte inklusive Verpflegung gebucht hatten. Entsprechend wenig Proviant mussten wir mitnehmen.
Verkalkuliert hatten wir uns beim Eselfutter. Esel sind karges Futter gewohnt. Die Wiesen in Deutschland sind für unsere Esel „zu fett“, so dass ihr Zugang zu frischem Gras im Normalfall stark rationiert werden muss. Die Esel müssen auf der Tour tagsüber arbeiten, und können nachts bedenkenlos auf den improvisierten – und damit extensiv genutzte Flächen bzw. Brachflächen mit hohem Rauhfutteranteil – grasen. Das war meine Theorie, die schon bald von der Praxis widerlegt wurde. Bereits am dritten Tag, bekam einer der Esel Durchfall. Am Mineralmangel konnte es nicht liegen, die Esel hatten ja ihren Mineralleckstein, den sie auch genüsslich ablutschten. Es fehlte ihnen das Rauhfutter, die Esel mussten zusätzlich Heu bekommen.
Unglaublich, welche Hilfsbereitschaft einsetzte, als wir vor der Herausforderung standen, mitten im Thüringer Wald Heu zu organisieren. Herzlichen Dank an Kristin, die unseren Eseln ihr selbstgeerntetes Heu für die Hasen geopfert hat
Erstens kommt es anders, Zweitens als man denkt





Entspannt konnten wir morgens aufbrechen, da wir unser Tagesziel kannten und gebucht hatten. Das Wetter machte uns aber einen Strich durch diese Rechnung. Eine deutschlandweite Unwetterwarnung veranlasste uns, den Aufenthalt in der Pension am Grenzadler um einen Tag zu verlängern. Die besorgte Wirtin räumte für die Esel eine Ecke unter dem Balkon frei, damit diese geschützt blieben. Wir konnten also das Unwetter unbekümmert im Trockenen über uns hinweg ziehen lassen. Allerdings mussten wir alle nachfolgenden Quartiere über unsere um einen Tag verschobene Ankunft informieren. Hieraus habe ich gelernt, dass Eseltrekking-Touren nur bedingt planbar sind.
Durch unseren längeren Aufenthalt am Grenzadler durften wir den Trubel zum jährlichen Rennsteiglauf direkt mit erleben. Von dort starteten sehr viele Läufer zum Marathon und Halb-Marathon. Die Läufer des Supermarathon, die schon seit dem frühen Morgen von Eisenach unterwegs waren, begegneten uns etwas später. Hier zeigte sich wieder, wie der Anblick von zwei Eseln selbst den ausgemergeltsten Läufern noch ein Lächeln aufs Gesicht zauberte. Ein Läufer hielt sogar an, um ein Foto für seine Tochter zu schießen, die Esel als ihre Lieblingstiere erkoren hat.
Equipment zum Eseltrekking
Die handgefertigten Packsättel hielten, was ihr Hersteller versprach: individuell an den Rücken der Esel einstellbar und sehr robust. Durch ihre Edelstahlkonstruktion sind sie allerdings auch etwas schwer. Inklusive des Vorder- und Hintergeschirrs zum Fixieren des Sattels beim bergauf und bergab Gehen sowie des Filzpads wiegt der Packsattel circa zehn Kilogramm. Hinzu kommt noch das Leergewicht der Taschen beziehungsweise der Koffer von circa fünf Kilogramm.
Ein Esel sollte nicht mehr als 20% seines Eigengewichtes tragen müssen. Für unsere kleinen Eselchen bedeutete das eine maximale Zuladung von 30 bis 35 Kilogramm. Nach Abzug des Leergewichtes je Packsattel konnten wir netto 15 bzw. 20 Kilogramm Ausrüstung pro Esel mitnehmen. Die Ausrüstung, die für die Esel benötigt wird, wiegt zwischen 12 bis 15 Kilogramm. Dazu gehört ein mobiler Elektro-Zaun, das Putzzeug, ein Falteimer, Tarps für den Regenfall sowie ein von den Eseln gern angenommener Salzleckstein.
Verkürzt bedeutete das für unser Eseltrekking-Abenteuer, dass ein Esel das eigene Equipment schleppte und der andere unsere Ausrüstung, wie beispielsweise das Zelt und unser Proviant.
Für die mobile Koppel benutzten wir ein kleines Weidezaungerät, das mit zwei handelsüblichen A-Batterien betrieben wird. Die Fiberglas-Zaunpfähle wurden als Steckvariante umgebaut, damit das maximale Packmaß von 60 Zentimetern eingehalten werden kann. An dieser Stelle bedanke ich mich nochmal herzlichst bei Petra und Bernd für diese Konstruktion.
Oben führte eine Breitbandlitze gut sichtbar sowohl für die Esel als auch für Zaungäste sowie das obligate Warnschild. Eine weitere Rundlitze für den unteren Bereich stellte die Stromversorgung an allen Stellen der Koppel sicher.
Das Auf- und Abwickeln der Rundlitze benötigte am meisten Zeit beim täglichen Auf- und Abbau der Eselkoppel. Einerseits hatten wir zu viel Litze dabei, andererseits hatten wir keine mobile – also leichtgewichtige – Wickelvorrichtung gefunden. Die handelsüblichen Haspeln gehen davon aus, dass das Gewicht keine Rolle spielt. Hier hatten wir definitiv ein Verbesserungspotential gefunden.
Die Tarps waren vor allem als Regen-Abdeckung des Eselgepäcks gedacht. Sie erwiesen sich darüber hinaus aber als echte Allrounder, die ich bei keiner Tour mehr missen möchte. Abgespannt dienten sie den Eseln auf der Koppel als Unterstand. Oder wir verwendeten sie im Vorzelt, um die darauf abgestellten Packsättel und Taschen vor Feuchtigkeit zu schützen.